Voraussetzung hierfür sei, dass nach einer Abwägung das Informationsinteresse überwiegt, entschied das Landgericht Stuttgart. Geklagt hatte die Daimler AG gegen den SWR.

 

Ein Journalist, der für den SWR arbeitet, hat sich verdeckt bei einer Leiharbeitsfirma beworben. Sie entlieh ihn im Rahmen eines Werkvertrages an die Daimler AG. Er filmte bei der Arbeit mit versteckter Kamera. Die daraus entstandene Reportage “Hungerlohn am Fließband – Wie Tarife ausgehebelt werden” (13. Mai 2013, Das Erste) zeigte, dass Werkvertragsarbeiter von Leiharbeitsfirmen teils niedriger bezahlt werden, trotz gleicher Arbeitsleistung wie Tarifarbeitskräfte.

Die Daimler AG begehrte vor dem LG Stuttgart Unterlassung einer weiteren Ausstrahlung, da die verwendeten Filmaufnahmen ohne Zustimmung entstanden waren und damit rechtswidrig seien. Dies lehnte das Gericht ab (Urteil vom 09.10.2014 – Az. 11 O 15/14, Pressemitteilung).

Der juristische Hintergrund

Grundsätzlich benötigt jeder, der in geschlossenen Räumen filmt, die Zustimmung des Hausrechtsinhabers. Das ist in aller Regel der Grundstücks- bzw. Gebäudeinhaber. Dieses Recht ergibt sich aus § 903 BGB: Der Eigentümer kann andere von der Einwirkung (hier: Betreten und Filmen) ausschließen. Der Journalist musste wohl befürchten, dass eine Recherche unter Zustimmung von Daimler entweder nicht möglich gewesen wäre oder zumindest nicht den gleichen Erfolg gebracht hätte. Daher recherchierte er verdeckt und ohne Zustimmung, was die Aufnahmen unzulässig machte.

Nach der Ausstrahlung wollte die Daimler AG vor dem Landgericht Stuttgart erreichen, dass der ARD die Reportage kein weiteres Mal ausstrahlen darf. Dieser Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 1004 Abs. 1, 823 BGB und steht jedem zu, der eine Rechtsverletzung erlitt (hier das unzulässige Filmen).

Die Rechtsverletzung allein macht den Unterlassungsanspruch aber nicht durchsetzbar. Sie muss stattdessen selbst auch rechtswidrig sein, d.h. nicht gerechtfertigt. (Nicht jede Rechtsverletzung ist auch rechtswidrig. Wer jemanden in Notwehr schlägt, verletzt das Recht des anderen auf körperliche Unversehrtheit. Dies wird jedoch gebilligt, da ihn die Notwehr rechtfertigt.)

Bei der Prüfung, ob die vorliegende Rechtsverletzung zulasten der Daimler AG auch ungerechtfertigt war, muss eine Gesamtabwägung aller Interessen durchgeführt werden. Streitentscheidend war hier die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.

Dazu das Landgericht Stuttgart:

Die Reportage habe darüber informiert, dass der Einsatz von Arbeitskräften im Rahmen sog. Werkverträge dazu führen könne, dass diese trotz gleichwertiger Arbeitsleistung und Eingliederung in den Produktionsprozess wesentlich niedrigere Löhne als die Stamm- und Leiharbeitnehmer des Unternehmens erhielten, die jedenfalls teilweise durch Leistungen der öffentlichen Hand („Hartz-IV“) aufgestockt werden müssten. Dies werde von weiten Kreisen der Bevölkerung als ein einschneidender Missstand wahrgenommen. Hinsichtlich dieses Missstandes bestehe ein überragendes öffentliches Informationsinteresse, demgegenüber die Nachteile, die aus der rechtswidrigen Informationsbeschaffung resultierten, zurücktreten müssten. Die Ausstrahlung des Videomaterials im Rahmen der Reportage sei daher nicht rechtswidrig gewesen, sondern durch die Meinungs- und Rundfunkfreiheit des SWR (Art. 5 GG) gerechtfertigt. Die Daimler AG könne daher keine Unterlassung der zukünftigen Ausstrahlung verlangen.

LG Stuttgart Urteil vom 09.10.2014 – Az. 11 O 15/14